KN: THW vor Stresstest in Minden
Minden/Kiel. Auf der einen Seite einer der Top-Klubs der Handball-Bundesliga, auf der anderen der Aufsteiger von 2016. Saisonziel Meisterschaft gegen Saisonziel Klassenerhalt. Der THW Kiel und sein nächster Gegner GWD Minden (Sonntag, 16 Uhr, Kampa Halle Minden, siehe ausführlicher THW-Vorbericht) haben nichts gemeinsam? Weit gefehlt. Mit Blick auf die Ergebnisse der letzten Wochen vor der Länderspielpause haben beide Vereine vor allem eines: einen Lauf.
Beide Teams zuletzt mit Siegesserie in der Liga
Denn seit der jeweiligen Niederlage beim SC Magdeburg haben beide Mannschaften keine Punkte mehr gelassen, bestechen jeweils durch gute Abwehr- und Torhüterleistungen. Beim THW ist die Niederlage in Magdeburg acht Spieltage her, bei Minden fünf. Die anschließende Siegesserie katapultierte die Ostwestfalen auf Tabellenplatz sieben. "Das fühlt sich tatsächlich ein bisschen komisch an", sagt Trainer Frank Carstens, der mit seinem Team die beiden vergangenen Spielzeiten auf Platz zwölf beendete und nun bereits Siege über Mannschaften wie Stuttgart, Lemgo oder Melsungen feierte. Zu Saisonbeginn fehlten zu Hause gegen Flensburg und in Berlin nur drei, bzw. zwei Tore zu einem Unentschieden.
"Wir haben insgesamt gut gespielt", sagt Dalibor Doder, Regisseur, Kapitän und Phänomen der Mannschaft. Mit seinen 39 Jahren ist er der älteste Feldspieler der Liga, zieht bei GWD im Angriff aber meist über 60 Minuten die Fäden. "Es heißt ja Leistungssport, nicht Alterssport", sagt er lachend. "So lange ich meine Leistung bringe, sollte man mich auch aufstellen", findet er.
Für Trainer Frank Carstens führt an dem Schweden derzeit ohnehin kein Weg vorbei. "Er ist in einer unglaublichen Verfassung. Ich habe ihn noch nie so gut spielen sehen wie jetzt." Mit 50 Treffern ist Doder zweitbester Torschütze hinter dem Halbrechten Christoffer Rambo. "Ohne einen Nebenmann wie Doder wäre auch Marian Michalczik nicht, wo er heute ist", sagt Carstens und meint den 21-jährigen Deutschen, der aus der eigenen Jugend kam und mittlerweile die Nummer eins im linken Rückraum ist.
Ein Trio, das auch THW-Trainer Alfred Gislason im Blick hat. "Bei Minden geht viel Gefahr aus dem Rückraum aus", sagt er. "Rambo spielt sehr gut und Doder ist überragend." Allerdings nicht, was die Körpergröße angeht. Gerade einmal 1,82 Meter ist er groß, setzt gegen große Gegenspieler also auf Tempo. Vor der großgewachsenen THW-Abwehr hat er Respekt. "Eigentlich sehe ich schon ganz gerne mal das gegnerische Tor", scherzt er, der gegen den THW wohl durchspielen muss. Denn der Weißrusse Aliaksandr Padshyvalau, der eigentlich ab dieser Saison als Doders Nachfolger aufgebaut werden sollte, zog sich im Training mit der Nationalmannschaft eine Sprunggelenksverletzung zu. Dafür könnte ein weiterer vielversprechender Neuzugang gegen den THW nach einem Kreuzbandanriss sein erstes Spiel für GWD bestreiten: der griechische Rückraum-Rechtshänder Savvas Savvas.
"Wir sind in einem ähnlichen Prozess wie der THW Kiel", findet Frank Carstens. "Genau wie die Kieler haben wir hier in den letzten Jahren einen personellen Umbruch hinter uns, haben die Mannschaft verjüngt und verbessern uns nun stetig." Trotz aller Parallelen und Träume ("Einen großen Gegner schlagen steht jedes Jahr auf unserem Zettel") sind die Rollen klar verteilt. "Es wäre schön, wenn wir Kiel ein bisschen stressen könnten", sagt Carstens. Zuletzt gelang das im April 2017, als GWD ein Unentschieden in Kiel holte. "Das war eine Sensation", sagt der 47-Jährige, der aber auch weiß: "Wenn die Maschine THW ins Rollen kommt, sollte man nicht auf den Gleisen stehen."
Wie das nach zwei Wochen ohne Ligabetrieb funktioniert, ist die große Unbekannte in der Rechnung von Alfred Gislason. "Auf jeden Fall müssen wir gut aus der Pause kommen, um in Minden zu gewinnen", sagt er. Der erste Eindruck aus dem Training? "Die Jungs sind ganz gut drauf." Ob der angeschlagene Hendrik Pekeler (Beckenprellung), Steffen Weinhold (Muskelfaserriss) und Marko Vujin (urologischer Eingriff) nach ihren Zwangspausen mit nach Minden fahren, soll sich kurzfristig entscheiden.
Dort könnte die Kieler eine zum ersten Mal in dieser Saison vollbesetzte Kampa Halle erwarten. Gestern waren schon über 3400 der 3700 Karten verkauft.
(Von Merle Schaack, aus den Kieler Nachrichten vom 03.11.2018, Foto: Archiv/ Sascha Klahn)