Heimspiel Flensburg Spielbericht
Der THW Kiel hat in der DKB Handball-Bundesliga das 97. Landes-Duell mit der SG Flensburg-Handewitt verloren. Vor 10.285 Zuschauern in der ausverkauften Kieler Sparkassen-Arena rannten die "Zebras" von Beginn an einem Rückstand hinterher. In der Folge verpassten es die Schwarz-Weißen immer wieder, sich für ihre harte Derby-Arbeit zu belohnen. Eigene Fehler, umstrittene Entscheidungen und eine starke SG, bei der Rasmus Lauge in der zweiten Halbzeit überragte, waren letztlich zuviel: Mit 25:29 (10:15) verlor der THW das erste von vier "Endspielen" in der DKB Handball-Bundesliga. Überragender Akteur in einem intensiven, zuweilen hart geführten Derby war auf Kieler Seite Patrick Wiencek: Der Kreisläufer war nach sieben Minuten umgeknickt und vom Feld gehumpelt, ließ sich das lädierte linke Sprunggelenk verbinden und kehrte mit insgesamt sechs Treffern als erfolgreichster Kieler Torschütze zurück. Für die SG trafen Hampus Wanne und Lauge ebenfalls sechs Mal.
Emotionaler Andersson-Abschied
Abschied: Mattias Andersson und Viktor Szilagyi
Mit einem emotionalen Moment begann dieses Derby: Viktor Szilagyi, Sportlicher Leiter des THW Kiel, verabschiedete den Flensburger Keeper Mattias Andersson, mit dem er einst gemeinsam im THW-Trikot unter anderem die Champions League gewonnen hatte. Alle 10.285 Zuschauer jubelten dem 40-jährigen zu, der nach 17 Jahren Bundesliga und 55 Nord-Derbys für beide Clubs am Ende der Spielzeit seine Karriere beenden wird. Mit den Nettigkeiten war es danach aber zügig vorbei. Nickeligkeiten bestimmen die ersten Minuten dieses brisanten Duells, mit einer aggressiven bis bisweilen überharten Defensive ging Flensburg in das Spiel. Zu spüren bekam das unter anderem mehrmals Domagoj Duvnjak, der bei seiner ersten Offensiv-Aktion gleich einen Schlag in die Weichteile kassierte, später einen Magenhaken einsteckten musste. Beide Aktionen blieben ungeahndet. Weil Andersson aber gut in die Partie kam, gingen die Flensburger von Beginn an vorneweg: Lauge traf nach sieben Minuten zum 4:1 für die Gäste, bei der Aktion verletzte sich Wiencek und musste zunächst vom Feld. Für ihn ging Sebastian Firnhaber in den Angriff und führte sich nach einem fantastischen Bodenpass von Duvnjak mit dem 2:4 gut ein. Danach zeigte Andreas Wolff gegen Glandorf und Svan seine Klasse, was Raul Santos mit dem 3:4-Anschluss belohnte (11.).
0:4-Anti-Lauf vor der Pause
Musste viel einstecken: Domagoj Duvnjak
Zum neuerlichen Ausgleich sollte es aber nicht kommen, weil der THW in Überzahl einen Siebenmeter-Treffer kassierte, Andersson gegen den freien Ekberg hielt, und Glandorf sich im Eins-gegen-Eins zum 6:3 durchsetzte. Wieder liefen die Zebras einem deutlichen Rückstand hinterher, wieder kämpften sie sich trotz eines vergebenen Strafwurfes zurück. Wiencek traf vom Kreis ins leere Tor, Wolff hielt gegen Glandorf, und Dissinger traf ins lange Eck. Mogensen beging ein klares Stürmerfoul, trotzdem zählte sein Treffer zum 8:6. Steffen Weinhold, der wie Rune Dahmke sein Comeback im schwarz-weißen Dress feierte, hielt seine Farben im Spiel, und Marko Vujin verwandelte seinen Siebenmeter zum 8:9 sicher. Den möglichen Ausgleich verhinderte - wie bereits vor dem Wechsel insgesamt fünf Mal - der Tor-Pfosten: Santos hatte Andersson bezwungen, doch vom Innenpfosten sprang der Ball direkt zu Karlsson, der Svan zum 10:8 schickte. Duvnjak verwandelte anschließenden einen Konter, bekam dabei einen Schlag von Gottfridsson, der für den Flensburger ohne Folgen blieb. Genau wie der anschließende Treffer von Duvnjak, der zurückgepfiffen wurde. Dafür traf Mogensen ohne nennenswerte Gegenwehr zum 11:9, ehe Miha Zarabec Patrick Wiencek mit einem Traumpass zum 10:11 bediente. Die verbliebenen vier Minuten in der ersten Hälfte waren dann aus THW-Sicht zum Abgewöhnen: Svan traf nach Schneller Mitte, Vujin scheiterte am Innenpfosten, Svan traf mit dem Gegenstoß, Andersson hielt gegen Zarabec, Röd vollstreckte, Andersson parierte gegen Duvnjak, und Wanne netzte zum 15:10 ein. Ein 0:4-Anti-Lauf der Kieler, der schmerzte.
Zebras verkürzen, Flensburg legt wieder vor
Elf Paraden: Andreas Wolff
Die zweite Hälfte gingen die "Zebras" stark an: Ekberg war vom Strich erfolgreich, nach einer Wolff-Parade gegen Wanne setzte sich Lukas Nilsson im Eins-gegen-Eins durch, Glandorf unterlief ein Technischer Fehler, was Ekberg mit dem 13:15-Gegenstoß bestrafte. Die Kieler hatten einen Lauf, und längst waren auch die Fans in Weiß von ihrer Halbzeit-Lethargie geheilt. Erst Recht, als Ekberg einen Ball klaute und Bilyk auf die Reise schickte. Doch auch der junge Österreicher fand seinen Meister in Andersson, Wanne traf zum 16:13. Statt eines Ein-Tore-Rückstandes lagen die "Zebras" also wieder mit drei Treffern hinten. Und so ging es weiter. Auch, weil dem THW weiterhin das Glück fehlte. Wiencek nahm nach einem Toft-Hansen-Foul seinen Gegenspieler in Schutz, woraufhin Schulze/Tönnies die Zeitstrafe gegen den Flensburger zurücknahmen. Für diese faire Geste wurde der Kieler Kreisläufer allerdings nicht belohnt, Sekunden später wurde ihm eine - zumindest diskussionswürdige - falsche Sperre abgepfiffen, Mogensen traf zum 17:14. Nach Svans Rettungstat, bei dem dem Außen der Ball an den Fuß sprang, setzte er auch vorne Akzente, netzte zum 18:15 ein. So ging es weiter: Der THW versuchte heranzukommen, die SG schaffte es, den Vorsprung konstant zu halten. Und das vor allem mit Rasmus Lauge: Das Ex-Zebra, das nach der kommenden Saison nach Veszprem wechseln wird, drehte in der Schluss-Viertelstunde richtig auf und sorgte für wichtige Treffer.
Rudelbildung kurz vor dem Abpfiff
Nach Wienceks 19:21 leisteten sich die Nordlichter einen Wechselfehler, doch die Kieler Hoffnungen auf den Anschluss zerstoben einmal mehr am Flensburger Innenpfosten, Wanne traf im Gegenzug um 22:19. Wiencek verkürzte, doch Lauge traf erneut. Es folgten sieben ganz bittere Minuten für den THW Kiel, in denen das 97. Derby entschieden wurde. Andersson hielt, die Zebras machten Fehler, und die SG bestrafte diese konsequent. Als Henrik Toft Hansen das 27:20 erzielte, war die Messe in dieser Partie gelesen. Flensburg hatte zum ersten Mal in dieser Spielzeit gegen den THW gewonnen - den "Zebras" gelang nur noch Ergebniskosmetik. Kurz vor ultimo entlud sich dann noch einmal die komplette Derby-Spannung: Firnhaber hatte per Gegenstoß zum 24:28 getroffen, abseits des Balles hatte Mogensen Duvnjak einen vollkommen unnötigen Stoß in den Rücken versetzt, im Fallen ging Duvnjaks Bein in Richtung Mogensen, was Lauge auf den Plan rief, der Duvnjak anging. Was folgte war eine Rudel-Bildung, gefolgt von der Roten Karte für "Dule" und einer Zwei-Minuten-Strafe für Mogensen. Ein emotionales Ende eines Derbys, das den THW Kiel im Kampf um die Europapokal-Plätze zurückgeworfen hat: Der Rückstand auf die nach Minuspunkten auf Platz vier stehenden Magdeburger, die parallel gegen die Löwen verloren, konnte nicht verkürzt werden. Bei drei noch ausstehenden Partien müssen die "Zebras" nun noch drei Punkte aufholen, um sicher für den EHF-Cup qualifiziert zu sein.
Noch drei Partien
Weiter geht es für den THW Kiel aber erst am Pfingst-Sonntag: Dann müssen die Kieler beim TBV Lemgo bestehen, bei dem sie im vergangenen Jahr eine Niederlage einstecken mussten. Nach dem abschließenden Heimspiel gegen den TVB Stuttgart am 31. Mai bestreitet der THW sein letztes Saisonspiel am 3. Juni bei GWD Minden. Weiter geht's, Kiel!
DKB Handball-Bundesliga, Statistik, 31. Spieltag, 10.05.18: THW Kiel - SG Flensburg-Handewitt: 25:29 (10:15)
THW Kiel: Landin (48.-52. und 1 Siebenmeter, 1/1 Parade), Wolff (1.-48., 52.-60., 11 Paraden); Duvnjak (1), Firnhaber (2), Weinhold (3), Dissinger (1), Wiencek (6), Ekberg (4/3), Frend Öfors, Rahmel, Dahmke (2), Zarabec (1), Vujin (1/1), Bilyk, Nilsson (3), Santos (1); Trainer: Gislason
SG Flensburg-Handewitt: Andersson (1.-60., 13/2 Paraden), Möller (n.e.), Jepsen (n.e.); Karlsson, Glandorf (3), Mogensen (4), Svan (5), Wanne (6/1), Jeppsson, Steinhauser, Heinl (1), H. Toft Hansen (1), Gottfridsson (2), Lauge (6), Mahé, Röd (1); Trainer: Machulla
Schiedsrichter: Robert Schulze / Tobias Tönnies
Strafzeiten: THW: 1 (Rahmel (29.)) / SG: 4 (Svan (11.), 2x Karlsson (15., 47.), Mogensen (59.))
Rote Karte: Duvnjak (THW, grobes Foulspiel (59.))
Siebenmeter: THW: 6/4 (Andersson hält Ekberg (15.) und Vujin (30.)) / SG: 2/1 (Landin hält Wanne (38.))
Spielfilm: 0:1, 1:1 (2.), 1:4 (7.), 3:4 (11.), 3:6 (13.), 4:7, 6:7 (16.), 8:9, 10:11 (26.), 10:15;
13:15 (33.), 14:16, 16:18 (40.), 18:20 (45.), 20:22 (48.), 20:27 (56.), 21:28, 25:28 (59.), 25:29.
Zuschauer: 10.285 (ausverkauft) (Sparkassen-Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Alfred Gislason: Glückwunsch an Flensburg zu einem verdienten Sieg. Wir kamen schwer in die Partie, haben im ersten Durchgang nach Fehlern sieben Gegenstoß-Tore kassiert. Dazu kam, dass wir klarste Chancen liegen gelassen haben - darunter zwei Siebenmeter - sodass die klare Führung der SG zur Pause hochverdient war. Danach lief es bei uns deutlich besser, letztlich hat man aber auch gesehen, dass zum Beispiel Patrick Wiencek, der eine unglaubliche Saison spielt und immer 60 Minuten ackern muss, müde war, wodurch unser Innenblock Probleme bekam. Natürlich hätte es geholfen, wenn wir den Konter zum 14:15 reingemacht hätten. Das gab genauso einen kleinen Knacks wie nach Patricks fairer Geste, der erst eine Zeitstrafe gegen Toft Hansen verhindert, um dann sofort irgendetwas abgepfiffen zu bekommen. Flensburg war besser als wir, wir hatten es durch unsere eigenen Fehler nicht verdient, dieses Spiel zu gewinnen.
SG-Trainer Maik Machulla: Ich bin sehr, sehr stolz und glücklich und freue mich wahnsinnig über die zwei Punkte. Es war nach dem bitteren Montpellier-Spiel eine schwierige Woche für uns, und ich wollte eine Reaktion von meiner Mannschaft sehen. Dass sie jeder für den anderen aufopfert. Wir sind von Beginn an in einen Flow gekommen, haben sehr kompakt und aggressiv verteidigt und vorn eine gute Balance zwischen Druck und Temporausnehmen gefunden. In der Phase, als Kiel traf, haben auch wir getroffen und sie nicht dichter herangelassen. Das war wichtig.
Kiels Sportlicher Leiter Viktor Szilagyi: Es tut weh, der SG zu einem verdienten Sieg zu gratulieren. Wir haben es über 60 Minuten auch emotional nicht geschafft, uns richtig ins Spiel reinzukämpfen, dazu kamen die vielen Pfostentreffer. Es gibt solche Spiele, und ich bin wie die Mannschaft sehr, sehr enttäuscht. Wir hatten uns - gerade nach der positiven Tendenz der vergangenen Wochen - mehr erhofft. Das war ein richtiger Dämpfer heute, aber wir müssen den Blick nach vorn richten, unsere verbleibenden Spiele gewinnen und hoffen, dass die Konkurrenz so spielt, dass wir unser Saisonziel noch erreichen.
THW-Linkshänder Marko Vujin: Flensburg hat verdient gewonnen, uns hat heute wieder einmal auch ein bisschen Glück gefehlt. Sieben oder acht Holztreffer sind dann zuviel. Geärgert habe ich mich, dass Patrick für seine Fairness direkt mit einem umstrittenen Pfiff gegen sich bestraft wurde.