KN: Neue Verantwortung, alter Anspruch
Kiel. Seit 1. Januar ist Viktor Szilagyi Sportlicher Leiter beim THW Kiel. Der Österreicher, der von 2005 bis 2008 als Spieler das THW-Trikot trug, soll und will mithelfen, die Zebras wieder auf Kurs zu bringen. Im Interview spricht "Figo" über seine Rückkehr, anstehende Vertragsgespräche und den Geist des "alten THW".
Neue Verantwortung, alter Anspruch
Wie ist es, wieder in Kiel zu sein?
Viktor Szilagyi : Ich bin sehr gut aufgenommen worden, von einigen bekannten, aber natürlich auch neuen Gesichtern.
Sind Sie privat auch schon angekommen?
Wir haben ein Haus gefunden, der Umzug meiner Familie folgt in der nächsten Woche. Es ist natürlich eine große Umstellung, vor allem für meine schulpflichtigen Kinder. Aber es war ja keine spontane Entscheidung, wir haben uns da schon Gedanken gemacht und sind alle Szenarien durchgegangen. Wir werden in Altenholz wohnen, sehr nah am neuen Trainingszentrum. Ich habe schon in meiner ersten Zeit beim THW nördlich des Kanals gewohnt, wir haben uns da sehr wohl gefühlt und einen Bekanntenkreis aufgebaut.
Seit 2008 hat sich einiges verändert...
Im Verein hat sich alles erweitert, auch aufgrund der höheren Anforderungen. Da, wo der THW lange ein Alleinstellungsmerkmal hatte, haben andere Klubs aufgeholt. Der THW war sicher oft ein Vorbild für alle anderen. Vor allem die internationale Konkurrenz ist viel größer.
Ist es also ein Neuanfang oder eine Rückkehr?
Ganz klar eine Rückkehr. Der THW war in meiner Karriere eine sehr wichtige Station, die mich geprägt hat. Unser erster Sohn ist in Kiel geboren, ich hatte durch meine erste ernsthafte Verletzung die erste schwerere Phase in meiner Karriere - das sind alles Dinge, die geblieben sind. Der Kontakt ist nie abgerissen. Ich war ja fast jährlich bei Abschiedsspielen von ehemaligen Mitspielern (lacht). Es gibt auch aktuell Spieler, mit denen ich zusammengespielt habe. Es geht nun darum, sich näher kennenzulernen. Ich spüre da einen großen Vertrauensvorschuss, darüber freue ich mich sehr.
Woran fehlt es dem THW momentan?
Der Umbruch ist noch im Gange. Wir müssen die Qualität, die Spieler sich hier erarbeitet haben, punktuell durch "High-Level-Spieler" ergänzen. Ob das im Sommer schon klappt, hängt von mehreren Faktoren ab.
Das heißt, die Kaderplanung ist Ihre große Aufgabe.
Zumindest ein Teil, der mich zeitweise stark in Anspruch nehmen wird. Es wird Phasen geben, in der man eher Beobachter und weniger unter Zugzwang ist, aber auch Phasen - und in so einer befinden wir uns gerade -, in der Entscheidungen schnell getroffen werden müssen.
Wird es Ihre erste Amtshandlung sein, die Verträge von Lukas Nilsson und Niclas Ekberg zu verlängern?
Wir haben uns schon vor meinem Amtsantritt ausgetauscht. Ich hoffe, dass wir nach der EM konkret werden können. Die Bereitschaft zu verlängern ist auf beiden Seiten sehr hoch.
Elf Kieler sind bei der EM im Einsatz, Domagoj Duvnjak und Marko Vujin kommen mit Verletzungen zurück. Inwieweit werden die Nachwirkungen des Turniers Sie beschäftigen?
Das Ziel vor der EM war, dass alle gesund und erfolgreich zurückkommen, zumindest mit persönlichen Erfolgserlebnissen. Nikola Bilyk ist mit Österreich zwar ausgeschieden, hat aber persönlich eine sehr gute Leistung gebracht. Wir hoffen jetzt, dass keine weiteren Verletzungen dazu und alle mit einem guten Gefühl zurückkommen.
Apropos zurück: Beim Bergischen HC ist Ihr Einstieg ins operative Geschäft ja durch ein Comeback unterbrochen worden...
(lacht) Das ist hier definitiv nicht geplant.
Wie werden Sie ins sportliche Tagesgeschäft eingreifen?
Es ist mein Ziel, ganz nah dran zu sein, damit ich mich auch intern vernünftig austauschen kann. Für die Spieler ist es auch wichtig, dass nicht nur der Trainer ihr Ansprechpartner ist, sondern auch jemand da ist, mit dem sie sich über andere Dinge austauschen können. Es geht dabei nicht darum, jemandem einen Bereich wegzunehmen, sondern Dinge zu optimieren.
Wie sehen dabei Ihre Ziele aus?
Kurzfristig erfolgreiche Vertragsgespräche mit den Spielern, um Klarheit und Stabilität zu haben. Sportlich werden wir alles dem unterordnen, dass wir das Saisonziel erreichen. Also in der kommenden Saison in der Champions League zu spielen. Durch den Dezember kann man realistisch darüber nachdenken. Da war eine sehr positive Entwicklung zu sehen.
Die Hoffnung von außen ist sehr groß, dass die "alte THW-Familie" mit Ihnen und Filip Jicha das Ruder herumreißt. Wie nehmen Sie diese Stimmung wahr?
Um den Verein wirklich zu verstehen, muss man ihn erlebt haben. Gerade dieses Familiäre gepaart mit einer professionellen Weiterentwicklung. Zum Anspruch, in allen drei Wettbewerben nicht nur mitzuspielen, sondern sie zu gewinnen - dazu gehört sicher auch ein Geist, ein Spirit auch von früher, von dieser sehr erfolgreichen Zeit. Das heißt aber nicht, dass der automatisch wieder da ist, wenn ich zurückkomme oder Filip zurückkommt. Es sind neue und andere Zeiten, ganz andere Herausforderungen. Diesen Spirit, dieses THW-Gen, das ja mit einem Sieger-Gen gleichgesetzt wurde, beizubehalten, ist die tagtägliche Aufgabe jedes Spielers, jedes Mitarbeiters.
Also steht der THW am Ende dieser Saison...
...im Optimalfall mindestens auf Platz zwei.
Und am Ende der nächsten?
Einen Schritt höher. Das ist unser Anspruch.
(Das Interview führte Niklas Schomburg, aus den Kieler Nachrichten vom 19.01.2017, Foto: Archiv/Sascha Klahn)