32:31-Sieg: Zebras stehen nach dramatischem Verlängerungs-Krimi im Pokal-Finale!

DHB-Pokal

32:31-Sieg: Zebras stehen nach dramatischem Verlängerungs-Krimi im Pokal-Finale!

Der THW Kiel hat es geschafft: Mit einer unglaublichen Energieleistung drehten die Zebras im Halbfinale des DHB-Pokals einen zwischenzeitlichen Fünf-Tore-Rückstand gegen die Rhein-Neckar Löwen und gewannen nach Verlängerung mit 32:31 (30:30, 28:28, 14:17). Voran ging einmal mehr Kapitän Domagoj Duvnjak, der sechs Treffer erzielte und zum "Man of the match" gewählt wurde. Außerdem glänzten auf beiden Seiten die Torhüter mit großartigen Paraden: Andreas Wolff bei den Kielern, David Späth bei den Löwen. Überragender Kieler war Emil Madsen: Der Alleinunterhalter im rechten Rückraum traf elf Mal und ebnete seiner Mannschaft den Weg in das Finale des DHB-Pokals gegen den Titelfavoriten MT Melsungen. Dieses wird Sonntag um 15:30 Uhr angepfiffen und ist live bei Dyn sowie im Free-TV in der ARD und unter www.sportschau.de zu sehen. 

Irrwitzig aufregendes Spiel über 70 Minuten

Ja, es bleibt dabei: Die Lanxess Arena ist eine großartige Bühne für unvergessliche Handball-Dramen. Nach gutem Beginn gerieten die Kieler in Rückstand, lagen durch den fünften Treffer des Rückkehrers Ivan Martinovic kurz vor dem Wechsel mit fünf Toren hinten. Doch ausgerechnet bei diesem Wurf verletzte sich der Kroate erneut am Knie, verließ die Partie mit Tränen in den Augen. Die dezimierte Zebraherde, die fast die gesamte Spielzeit mit einer Sieben bestritt, kämpfte sich in der Folge mit starkem Willen und unbändigem Kampfgeist heran. Die "weiße Wand" tat ihr Übriges, nimmermüde unterstützen die Kieler Anhänger ihre zunehmend müder werdende Mannschaft. Die kassierte kurz vor dem eigentlichen Ende einer irrwitzig aufregenden Partie aber einen fragwürdigen Siebenmeter, den Torhüter Andreas Wolff mit einer Glanzparade gegen Juri Knorr unschädlich machte, dem THW damit das Remis nach 60 Minuten sicherte. Auch in der Verlängerung war Wolff bei einem Strafwurf von Knorr zur Stelle, legte somit die Grundlage für den Jubel im Team und bei den rund 3000 völlig begeisterten THW-Fans.

Zebras erneut ohne zwei erfahrene Rückraumspieler

"Was für ein unfassbarer Pokalfight", rang Kiels Torhüter nach dem Handball-Drama mit weit aufgerissenen Augen um Worte. "Es war ein tolles Spiel mit einer fantastischen Löwen-Mannschaft, die leider das Pech hatte, dass Martinovic verletzt ausgefallen ist. Auch David Späth im Tor hat es uns unheimlich schwer gemacht. Aber wir haben in der Deckung überragend gespielt und vor allem am Ende die Nerven behalten. Jetzt wollen wir alles vergessen und nur noch an morgen und das Finale denken!" Während die Rhein-Neckar Löwen mit kompletter Kapelle aufliefen - Sebastian Heymann und Ivan Martinovic waren nach langer Verletzungspause wieder dabei - fehlten den Kielern mit Harald Reinkind und Nikola Bilyk erneut zwei wichtige Rückraumakteure. Rechtsaußen Bence Imre, dessen Einsatz wegen eines Infekts lange Zeit in Frage gestellt war, gesellte sich indes in letzter Minute dazu, war Freitagabend nachgereist.

Guter Start des THW Kiel

Filip Jicha setzte in der Anfangsformation im Mittelblock auf Hendrik Pekeler und Petter Överby, gab auf der Spielmacherposition Domagoj Duvnjak den Vorzug vor Elias Ellefsen á Skipagötu. Und die Zebras starteten auch gut in die Partie, setzten zunächst auf eine offensive 3:2:1-Abwehr mit Duvnjak in vorgezogener Rolle. Emil Madsen traf in Zeitnot zum 1:0, war nach dem Ausgleich von Olle Forsell Schefvert per Tempogegenstoß auch für das 2:1 verantwortlich. Lindenchrone glich erneut aus, doch Bence Imre per Siebenmeter und Lukas Zerbe nach Tempogegenstoß brachten die Kieler auf 4:2 in Front. Per Siebenmeter-Nachwurf zirkelte Imre den Ball dann zum 5:3 in die Löwen-Maschen. Die Mannheimer konterten dann aber mit einem 3:0-Lauf, führten nach zwölf Minuten mit 6:5. Die Kieler, mit dem zunächst stark beginnendem Wolff als Rückhalt, gingen durch Lukas Zerbe und Johansson erneut in Front, lagen nach 14 Minuten mit 7:6 vorne. Eine Reihe von Kieler Fehlern und Unaufmerksamkeiten bescherte den Löwen dann einen 4:0-Lauf, den Martinovic mit seinem ersten Torerfolg zum 10:7 vollendete. 

Löwen zur Pause mit drei Treffern vorn

Der Kroate schwang sich jetzt zum Taktgeber und Torschützen für sein Team auf. Nach dem 9:12 durch Olle Forsell Schefvert drückte THW-Coach Filip Jicha auf den Buzzer, rief seine Mannen zur Auszeit. Madsen traf sofort mit einem Hammer in den Winkel zum 10:12. Doch weil Späth gegen den Dänen kurz darauf großartig parierte, Zerbe am Querbalken scheiterte und Martinovic dreimal in Folge ins THW-Tor traf, lagen die Badener nach 25 Minuten mit 15:10 vorne. Jicha beorderte Tomas Mrkva zwischen die Kieler Pfosten, der Tscheche war auch sofort gegen Knorr erfolgreich. Nachdem Zerbe zweimal sicher von der Strafwurflinie eingenetzt hatte, waren die Zebras beim 12:15 wieder in Reichweite. Doch die Löwen ließen nicht locker, konterten durch Knorr und eben Martinovic. Die Zebras trafen kurz vor dem Wechsel noch zweimal - wichtige Treffer! Madsen drosch den Ball aus dem Rückraum ins Netz, Duvnjak gelang ein Ballklau, den er selbst ins leere Löwen-Tor beförderte: Halbzeitstand 17:14 für die Rhein-Neckar Löwen.

Zebras kämpfen sich zurück in die Partie

Die ersten Minuten der zweiten Hälfte gehörten dann den Zebras: Zerbe versenkte den Ball im leeren Löwen-Tor, Duvnjak vollendete einen Tempogegenstoß zum 16:17. Pech, dass Emil Madsen wenig später das gegnerische Tor verfehlte, vergeblich ein Foulspiel reklamierte. Die Löwen nutzten ihre Chancen dagegen eiskalt. Lindenchrone war zweimal zur Stelle, Davidsson netzte einmal ein. 21:17, Mannheim war erneut auf vier Tore enteilt. Aber die Zebras kamen zurück: Großen Anteil an der Aufholjagd hatte bei seinem letzten Lidl Final4 auch Patrick Wiencek, der in der Abwehr für zwei wühlte, die eigene Fankurve anstachelte und sich vorne ins Getümmel warf. Nach dem 3:0-Lauf durch Madsen (2) und Johansson stand's nach 41 Minuten 20:21. Späth wurde jetzt zum ganz großen Rückhalt der Löwen, parierte mehrfach gegen Zerbe, Madsen und auch Duvnjak. Beim 22:22 (46.) von Patrick Wiencek war aber auch der Löwen-Schlussmann machtlos. Wiencek war es dann auch, der die Zebras wenig später die erste Führung nach der Anfangsphase bescherte. 24:23 in der 48. Minute.

Hochspannung bis zur letzten Sekunde

Jetzt war es stets eng, ging es hin und her. Und als Duvnjak bei seinem Treffer zum 27:27 von Forsell Schefvert hart im Gesicht getroffen wurde, sah der Rhein-Neckar-Löwe Rot. Emil Madsen traf knapp eine Minute vor dem Schlusspfiff zum 28:28, weitere Chancen wurden auf beiden Seiten ausgelassen - Verlängerung! In dieser hatten wieder die Mannheimer zunächst die Nase vorn: Nothdurft und Davidsson trafen in den ersten fünf Minuten der Verlängerung für Mannheim, Patrick Wiencek hielt seine Farben mit energischem Nachsetzen und zwei wichtigen Toren auf Augenhöhe, mit 30:30 wurden die Seiten zum letzten Mal gewechselt. Den besseren Start in die letzten fünf Minuten hatten dann die Kieler. Duvnjak holte alles aus seinem Körper, traf zur erneuten Kieler Führung. Madsen erhöhte mit einem Kracher aus dem Rückraum, und als Wolff ein zweites Mal einen Siebenmeter von Juri Knorr unschädlich machte, war das Tor zum Finale für die Kieler sperrangelweit offen. Aber es blieb dramatisch: Späth schickte sich an, zum THW-Spielverderber zu werden, parierte gegen Madsen und Duvnjak. Fünf Sekunden blieben den Löwen schließlich für den letzten Angriff, doch die Kieler waren jetzt hellwach: Sie blockten einen Knorr-Wurf in die Arme von Zerbe. Finale!

Finale am Sonntag

Die Zebras ließen allerdings im Halbfinale mehr auf dem Platz, als eigentlich noch im Tank war. „Unsere medizinische Abteilung mit den Ärzten und den Physiotherapeuten wird heute sehr, sehr viel zu tun bekommen“, sagte THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi nach dem Spiel. Trotzdem werden die Zebras am Sonntag versuchen, dem großen Titel-Favoriten MT Melsungen, der im zweiten Halbfinale beim 31:27 (15:14) gegen den aufopferungsvoll kämpfenden Zweiligisten HBW Balingen-Weilstetten mehr Mühe als gedacht hatte, Paroli im Endspiel um den DHB-Pokal zu bieten. Dieses wird um 15:30 Uhr angepfiffen und ist live bei Dyn und in der ARD zu sehen. Weiter geht’s im Finale, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn

DHB-Pokal, Halbfinale: THW Kiel - Rhein-Neckar Löwen 32:31 n.V. (30:30, 28:28, 14:17)

THW Kiel: Mrkva (25.-52., 3 Paraden), Wolff (1.-22.,, 52.-70., 13/2 Paraden); Duvnjak (6), Landin, Överby, Wiencek (4), Pabst (n.e.), Johansson (2), Dahmke (1), Zerbe (6/3), Kutz (n.e.), Madsen (11/1), Pekeler, á Skipagötu, Imre (1/1); Trainer: Jicha
Rhein-Neckar Löwen: Appelgren (3 Siebenmeter, 1/1 Parade), Späth (1.-70., 14 Paraden); Martinovic (5), Nothdurft (4), Plucnar (1), Knorr (9/3), Heymann, Moré, Davidsson (3), Groetzki, Forsell Schefvert (5), Michalski, Willner, Lindenchrone (3), Jaganjac, Kohlbacher (1); Trainer: Hinze

Schiedsrichter: Marcus Hurst / Mirko Krag
Zeitstrafen: THW: 4 (Dahmke (8.), Duvnjak (14.), 2x Pekeler (32., 64.)) / RNL: 5 (Lindenchrone (14.), 2x Jaganjac (18., 40.), Forsell Schefvert (30.), Nothdurft (35.))
Rote Karte: Forsell Schefvert (RNL, grobes Foulspiel (57.))
Siebenmeter: THW: 9/5 (Imre an den Pfosten (9.), Imre vorbei (19.), Zerbe an die Latte (36.), Appelgren hält Zerbe (44.)) / RNL: 5/3 (Wolff hält 2x Knorr (60., 68.))

Spielfilm: 1.Hz.: 1:0, 2:2 (7.), 4:3 (8.), 5:3 (9.), 5:6 (12.), 7:6, 7:10 (20.), 10:12 (23.), 10:15 (25.), 12:15 (27), 12:17 (28.), 14:17;
2. Hz. 16:17 (34.), 17:18, 17:21 (37.), 20:21 (41.), 20:22, 22:22 (46.), 22:23, 24:23 (48.), 24:26 (51.), 26:26 (53.), 26:27, 27:28 (59.), 28:28 (59.); Verlängerung: 1. Hz.: 28:29, 29:30 (64.), 30:30; 2. Hz.: 32:30 (67.), 32:21 (69.)
Zuschauer: 19.750 (ausverkauft) (Lanxess Arena, Köln)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Heute haben wir eine unfassbaren Pokalfight gesehen, zuerst möchte ich daher den Rhein-Neckar Löwen meinen Respekt zollen. Wir waren heute nach 70 Minuten die glücklichere Mannschaft. Wir sind cool ins Spiel gestartet mit der offensiven Abwehr, aber vorne konnten wir unsere Möglichkeiten nicht verwerten, da fehlte vielleicht ein wenig auch der Mut. Dann sind die Löwen in der Abwehr stärker geworden, und bei minus fünf drohte uns das Spiel wegzulaufen. Die zwei Tore vor der Halbzeit waren wichtig, wir haben dann in der Kabine zu mehr Mut aufgerufen. Das Sieben gegen Sechs haben wir dann mit Mut top gespielt, das hat uns letztlich ins Finale gebracht. Meine Jungs waren mental unglaublich, sie haben alles auf dem Feld gelassen, mehr noch als eigentlich im Tank war. Dieses Spiel hat unglaublich viel gekostet, jetzt müssen wir erst einmal sehen, wer morgen überhaupt spielen kann. Ich freue mich für Patrick, dass er morgen seine Karriere im DHB-Pokal im Finale beenden kann.

THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi: Ich verspüre Stolz und Freude, dass wir dieses Spiel gegen sehr gute Rhein-Neckar Löwen drehen konnten. Wir glauben immer an uns, wir finden Lösungen. Jetzt sind wir unglaublich stolz, ins Finale eingezogen zu sein.Die Jungs sind leer, unsere medizinische Abteilung wird wohl sehr, sehr lange heute Abend zu tun haben. Aber es gibt nichts Schöneres, als hier morgen das Finale in dieser Halle bestreiten zu können.

Löwen-Trainer Sebastian Hinze: Das Momentum in diesem Spiel ist immer gewechselt, es ging hin und her. Mit einem Tor nach Verlängerung auszuscheiden, ist die bitterste Art. Wenn man hier antritt, will man ins Finale. Wir waren sehr nah dran, aber es ist bitter. Das ist ein Brett, dass wir verarbeiten müssen. Uns hat am Ende das Tempo-Spiel ein wenig gefehlt. aber wir haben um jeden Ball gefightet. So ein Spiel entscheiden Kleinigkeiten. 

Uwe Gensheimer, Sportlicher Leiter der Löwen: Es war ein Riesen-Spiel, ein Riesen-Fight. Ich bin stolz darauf, wie wir aufgetreten sind, gemeinsam gekämpft haben nach dem holprigen Start. Wir mussten auch den Schock-Moment verkraften, als Ivan raus musste. Wenn man nach 70 Minuten über einen Abpraller hier, einen verworfenen Ball da spricht, sieht man, wie eng es war.