KN: Aron Palmarsson: In Kiel bin ich erwachsen geworden
Er spricht sehr viel über den THW, ein Verein, dem er sich als 19-Jähriger anschloss, für den er nun die sechste Saison spielt. Mit dem er viermal Meister wurde und zweimal die Champions League gewann. Erfolge, die den Isländer in seiner Heimat Sportler des Jahres 2012 werden ließen. „In Kiel bin ich erwachsen geworden“, sagt Palmarsson, der sich mit einem Lachen an die Anfänge erinnert. „Wenn ich meine Mailbox abgehört habe, war sie immer voller Anrufe von Sabine.“ Sabine Holdorf-Schust, Geschäftsstellenleiterin des THW, die ihn gebetsmühlenartig an Rechnungen und Termine erinnerte. An den Alltag. Einer, der den genialen Mittelmann komplett überforderte. „Ich wohnte vorher bei meinen Eltern, da war alles geregelt. Hier musste ich mich auf einmal selbst um alles kümmern.“ Überfordert sei er gewesen, in die Mannschaftskasse habe er verlässlich stattliche Beträge eingezahlt. „Für mich war der Schritt nach Kiel auch deshalb richtig, weil ich gelernt habe, selbstständig zu werden.“ Und nicht nur das. „Ich habe das Gewinnen gelernt.“ Mit leuchtenden Augen erzählt er von der jüngsten Meisterschaft, davon, wie er nach der 26:29-Niederlage bei den Rhein-Neckar Löwen im April Landsmann „Goggi“ Sigurdsson fragte, wie sie jetzt noch Meister werden können. Beide Vereine waren punktgleich, die Mannheimer hatten das bessere Torverhältnis (plus 23) und ein viel einfacheres Restprogramm. „Er hat gesagt, dass wir jedes Spiel mit 15 Toren gewinnen müssen“, erinnert sich Palmarsson. Was er antwortete? „Ok, dann machen wir das.“ Während er sich an das dramatische Saisonfinale („Das schafft nur der THW“) erinnert, überzieht ihn eine Gänsehaut. Der 24-Jährige liebt diesen Verein, warum verlässt er ihn dann? Palmarsson spricht über die extreme Belastung. Darüber, dass einer wie er, der kein Spiel seines Nationalteams verpassen will, elf Monate im Jahr Handballer ist. Freie Tage seien in Kiel ein extrem seltenes Gut. „Und wenn es so weit ist, bin ich oft zu müde, um beispielsweise einen Ausflug nach Hamburg zu machen.“ Redet er über Ungarn, ist spürbar, wie sehr ihn das Neue reizt. „Das ist das Herz Europas, dort zu leben, ist gerade für einen Isländer ein besonderes Erlebnis.“ Von Veszprem seien Wien und Budapest schnell zu erreichen. „Und wenn ich Lust habe, fahre ich für zwei Tage an die kroatische Küste.“ Er werde mehr Zeit für sich haben, mehr Zeit für den Körper, der angesichts der extremen Belastung zuletzt wiederholt den Dienst verweigerte. „Es nervt mich unheimlich, immer wieder verletzt zu sein“, sagt Palmarsson. In Veszprem werde er sich mehr schonen können, ohne dabei sein Ziel zu verlieren – das Gewinnen. „Ich wollte nur bei einem Verein unterschreiben, der ähnlich tickt wie der THW.“ Da sich für ihn ein Wechsel in der Bundesliga ausschloss („Mehr als Kiel geht nicht“), blieben Paris St.Germain und der ungarische Serienmeister, bei dem er auf seine Ex-Kollegen Momir Ilic und Christian Zeitz treffen wird. Sicher, auch das Geld habe eine Rolle gespielt, sagt Palmarsson, der sich über die Zahlen ausschweigt. Angeblich zahlt sein neuer Arbeitgeber rund 25000 Euro netto pro Monat, der THW soll ihm zuletzt 20000 angeboten haben. In der Bundesliga ist es zudem üblich, dass die Spieler für die Nebenkosten (Haus, Auto etc.) aufkommen. In Veszprem zahlt auch das der Verein. „Ich wurde nur gefragt, welches Auto ich möchte“, sagt Palmarsson. „Und mein Gehalt bekomme ich auch dann, wenn ich drei Jahre lang verletzt sein sollte.“ In Deutschland undenkbar. Für einen Spieler wie ihn, dem sein linkes Knie immer wieder Probleme bereitet, extrem beruhigend. Seine Zukunft liegt am Plattensee, doch in der Gegenwart ist er mit dem Herzen Kieler. Einer, der am Sonnabend nicht einmal wusste, welche Nummer er künftig tragen wird. Wieder die „24“, die er, Sohn der Basketball-Legende Palmar Sigurdsson, als Verbeugung vor NBA-Star Kobe Bryant (LA Lakers) trägt? „Lustig“, sagt Palmarsson, „darum habe ich mich noch gar nicht gekümmert.“ Warum? Weil er als Kieler das Ziel hat, seine Titel neun, zehn und elf zu gewinnen. (von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 02.12.2014)