Andreas Wolff im Interview: “Der THW Kiel wird immer eine große Mannschaft haben”
Es war die Transfer-Meldung des Sommers: Nationaltorwart Andreas Wolff kehrt nach fünf Jahren beim polnischen Spitzenclub Industria Kielce zurück zum THW Kiel (siehe Extra-Artikel). Zu jenem Verein, dessen Trikot er bis 2019 bereits drei Jahre getragen hatte. Aktuell bereitet sich Andreas Wolff mit dem DHB-Team auf die olympischen Spiele in Paris vor, am 16. August wird er beim Abschieds-Event für Niclas Ekberg und Steffen Weinhold erstmals wieder im THW-Trikot auflaufen. Im exklusiven Interview mit ZEBRA spricht der 33-Jährige über die Spannung der vergangenen Wochen, seine riesige Freude über die Rückkehr nach Kiel und seine Entwicklung zwischen dem Abschied und dem Neustart in Kiel.
"Bin überglücklich, wieder für den THW Kiel zu spielen"
ZEBRA: Andi, willkommen zurück!
Andreas Wolff: Moin!
Das geht dir ja immer noch recht locker über die Lippen… Nicht ganz so locker waren die vergangenen Wochen für dich. Viktor Szilagyi sprach von intensiven Verhandlungen, um dich zurück nach Kiel zu holen. Hast du in diesem Moment schon realisiert, dass du bald wieder ein Zebra sein wirst?
Wenn Viktor das, was in den vergangenen Wochen passiert ist, als 'intensiv' beschreibt, übertreibt er keinesfalls. Deshalb habe ich das bis heute noch nicht so ganz realisiert. Ich bin überglücklich darüber, bald wieder für den THW Kiel spielen zu dürfen. Ganz begriffen haben werde ich das aber erst, wenn ich zum ersten Mal wieder in Altenholz trainiert und damit meine ersten Schritte in Kiel gemacht haben werde.
"Die vergangenen Wochen waren sehr Nerven aufreibend"
Du bereitest dich gerade mit der Nationalmannschaft auf die olympischen Spiele vor. Wie wichtig war es vor diesem Hintergrund, dass Deine sportliche Zukunft im Verein jetzt geklärt ist?
Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich mich vor solchen Events immer zu einhundert Prozent auf das Kommende fokussiere. Die ersten Tage bei der Nationalmannschaft waren angesichts der unklaren Situation belastender, als es ein Trainingsstart normalerweise sein sollte. Ich habe die harten Verhandlungen zwischen den Clubs intensiv verfolgt und begleitet. Man ist aus dem Training gekommen und hat sofort auf das Handy geschaut, ob es neue Nachrichten, neue Entwicklungen gibt. Die Up and Downs, die solch eine intensive Verhandlung mit sich bringen, haben mich grundsätzlich zwar nicht während des Trainings beeinflusst, aber waren in der wichtigen Trainingsvor- und -nachbereitung natürlich omnipräsent. Für mich war klar, dass ich eine unklare Situation in der heißen Phase der Vorbereitung auf Olympia oder gar während des Turniers nicht gebrauchen kann.
Wie fühlt es sich an, jetzt Gewissheit zu haben?
Wenn man es so will, habe ich meine Sommer-Pause damit verbracht, auf meinen Wechsel nach Kiel zu hoffen. Es war sehr Nerven aufreibend. Als die Bestätigung kam, dass der Wechsel zustande kommen wird, war ich sehr, sehr froh und richtig erleichtert.
"Das positive Feedback war überwältigend"
Die Reaktionen auf deine Rückkehr nach Kiel sind überwiegend positiv. Freut dich das?
Das hat mich sehr gefreut. Viele meiner alten Weggefährten haben mir gratuliert. Und auch sonst habe ich sehr viele Nachrichten und sehr viel Zuspruch erhalten, womit ich in dem Umfang und der Form tatsächlich nicht gerechnet hatte. Das war so etwas wie die nachträgliche Bestätigung meiner Entscheidung, zurückzukehren. Das positive Feedback war überwältigend.
Auch die Kieler Fans haben die Nachricht gefeiert. Hattest Du damit gerechnet?
Gerechnet nicht, aber ich hatte es gehofft, dass die Kieler Fans die Nachricht positiv aufnehmen. Wir hatten seit meinem Weggang aus Kiel ja schon einige Länderspiele in der Wunderino Arena, bei denen ich sehr freundlich begrüßt wurde. Von daher hatte ich nicht das Gefühl, dass die THW-Fans sich nicht über eine Rückkehr freuen könnten. Aber natürlich bin ich froh darüber, wie es jetzt gelaufen ist. Und die vielen positiven Reaktionen motivieren mich jetzt noch mehr, endlich wieder vor unserer großartigen Kulisse in der Wunderino Arena spielen zu können.
"Der Kontakt nach Kiel war nie abgerissen"
Du hattest dem Vernehmen nach auch die Möglichkeit, zu anderen Clubs zu wechseln. Warum hast Du dich für Kiel entschieden?
Der Kontakt nach Kiel ist nie abgerissen. Mit einigen meiner ehemaligen - und jetzt auch zukünftigen - Mitspieler habe ich mich immer ausgetauscht. Natürlich habe ich sie und Kiel auch sehr vermisst. Der THW Kiel war schließlich auch damals der Verein, von dem ich immer geträumt hatte, für ihn zu spielen. Die erste Phase ging bei mir dann relativ schnell zu Ende. Trotzdem blieb immer das Gefühl, dass wir in Kiel noch eine gemeinsame Mission zu erfüllen haben. Tatsächlich habe ich es bisher nicht geschafft, eine Deutsche Meisterschaft mit dem THW Kiel zu gewinnen. So kann ich meine Karriere doch nicht beenden (Andi lacht). Für mich ist der THW Kiel nach wie vor einer der größten Verein der Welt und der größte Verein in Handball-Deutschland. Der THW Kiel wird immer eine große Mannschaft haben, die immer in der Lage sein wird, um alle Titel mitzuspielen. Dazu möchte ich meinen Teil beitragen. Mein Wunsch ist es, mit unserer Mannschaft die große THW-Geschichte weiterzuschreiben.
"Rückkehr war mir wichtiger, als im Herbst wieder Champions League zu spielen"
Nun spielst du in der kommenden Saison nicht in der EHF Champions League, sondern in der European League. Hat dich das an deiner Entscheidung zweifeln lassen?
Nein, überhaupt nicht. Ich war so begeistert von der Idee, zurück nach Kiel gehen zu können, dass es mir tatsächlich einerlei war, ob wir in der kommenden Saison in der Königsklasse oder in der starken EHF European League spielen. Natürlich tut es weh, wenn solch ein großer Club wie der THW Kiel nicht in der Champions League vertreten ist. Aber für mich persönlich war es wichtiger, zum THW Kiel zurückzukommen, als im Herbst wieder Champions League zu spielen. Ich habe damals den Verein mit dem Gewinn des EHF-Cups verlassen. Man sagt ja gerne, dass man wieder damit anfangen sollte, womit man aufgehört hat. Dagegen hätte ich nichts einzuwenden (er lacht), wenngleich man dabei bedenken muss, dass sich die EHF European League seitdem enorm weiterentwickelt hat.
Torwart-Team statt Konkurrenzkampf
Viel wurde zuletzt über die Konkurrenzsituation in diesem Jahr und ab der kommenden Saison gesprochen. Wie gehst Du damit um?
Ich verstehe das überhaupt nicht als Konkurrenzsituation. Jeder dürfte mitbekommen haben, dass Samir, Tomas, Gonzalo und ich keine 25 mehr sind. Als Topclub mit derart vielen Spielen wie der THW Kiel braucht man im heutigen Handball ein gutes Torwart-Team, das sich ergänzt. Für eine Mannschaft und das persönliche Weiterkommen ist es enorm wichtig, ein starkes Torwart-Team zu haben. In der Nationalmannschaft funktioniert das beispielsweise mit David (Späth, Anm. d. Red.) hervorragend. Samir, Tomas und Gonzalo sind hervorragende Torhüter. Ich gehe davon aus, dass wir uns sportlich und menschlich sehr, sehr gut ergänzen werden, um dann das zu leisten, was die Mannschaft und der THW Kiel braucht.
"Ich sehe viele Dinge nicht mehr so verkrampft wie damals"
2019 hast du den THW Kiel verlassen. Wie hat sich die Person Andreas Wolff in diesen fünf Jahren entwickelt?
Ich bin gereift, habe über viele Dinge sehr viel nachgedacht. Als junger Spieler habe ich vieles nicht verstanden, nicht wahrhaben wollen, was wirklich wichtig ist auf den höchsten Ebenen des Mannschaftssports Handball. Ich habe während meiner Jahre in Kielce sportlich einen großen Schritt nach vorn gemacht, aber vor allen Dingen auch menschlich. Insgesamt bin sehr, sehr viel ruhiger geworden. Das sieht man ein wenig auch an meiner Spielweise. Sie ist nicht mehr ganz so impulsiv, nicht mehr so abhängig von Emotionen. Das hilft mir und meinem Spiel. Ich sehe viele Dinge weniger verkrampft als damals, bin insgesamt etwas lockerer geworden.
Woran erinnerst du dich beim Gedanken an deine erste Kieler Zeit?
An die Fans, die Stimmung beim THW Kiel. Leider aber auch an meine bis heute unerfüllte Mission Deutsche Meisterschaft. Wir haben in meiner bisher letzten Saison mit dem THW Kiel ein überragendes Jahr gespielt, hatten insgesamt nur drei Spiele verloren und haben trotzdem „nur“ zwei von drei Titeln gewonnen. Das hat weh getan, weil man mit sechs Minuspunkten in den meisten anderen Jahren auch Meister geworden wäre. Damals aber nicht.
"Die 33 bleibt meine Nummer"
Wie sehen deine nächsten Wochen aus?Die werden bei der Nationalmannschaft sehr vorbereitungsintensiv und vom Handball geprägt sein, was mich natürlich freut. Nach dem Test gegen Frankreich in der kommenden Woche mit der Nationalmannschaft haben wir drei, vier Tage frei, um nochmal ein bisschen abschalten zu können. Dann folgen weitere Vorbereitungsspiele gegen Ungarn und Japan, bevor wir uns endlich auf den Weg zu den Olympischen Spielen machen. Ich hoffe, dass wir ein gutes Turnier spielen und die THW-Spieler diesen Schwung mitbringen in den Verein und wir die Saison mit zusätzlicher Energie und frohen Mutes beginnen können.
Die wichtigste Frage zum Schluss: Bleibt die "33" auch beim THW Kiel die "33"?
Die "33" bleibt. Das ist meine Nummer, sie ist über die Jahre irgendwie auch zu meinem Markenzeichen geworden. Und ich glaube daran, dass ich am erfolgreichsten spiele, wenn ich die "33" auf dem Trikot trage.