KN: THW Kiel zwischen den Welten
Kiel. Um 13.30 Uhr rollte gestern der Bus des THW Kiel vom Gelände des Trainingszentrums in Altenholz. Ziel: Wetzlar. Sieben Stunden Autobahn, die Etappe zwei von drei im Auswärts-Marathon der Zebras. Ein Pendeln zwischen den Wettbewerben, zwischen Heldentaten in der Champions League bei Vardar Skopje am vergangenen Sonnabend und dem Pflichtprogramm in der Bundesliga heute Abend (19 Uhr) bei der HSG Wetzlar.
Heute in Wetzlar, Sonnabend in Montpellier
Ihren beeindruckenden 31:20-Sieg beim Champions-League-Titelverteidiger Vardar Skopje haben die Kieler längst abgehakt. "Lange darf man im Profisport nicht genießen", sagt THW-Trainer Filip Jicha. "Wer das tut, wird das nächste Spiel verlieren." Zu hoch will er das Spiel in Skopje ohnehin nicht hängen. "Es war eine schöne Bestätigung für uns. Bei allen stimmte die Leistungsbereitschaft. Jeder Einzelne hat ganz viel Energie in dieses Spiel gesteckt."
Das erwartet er von seinen Spielern nun auch in der Bundesliga. Denn das letzte Wetzlar-Erlebnis der Zebras ist gerade mal zwei Wochen her. Es war - wie so oft bei der HSG - zäh und mit Zittern bis zum Ende verbunden. Erst 20 Sekunden vor Schluss warf Hendrik Pekeler den THW Kiel zum ersten Mal in Führung und mit dem 26:25-Sieg ins Viertelfinale des DHB-Pokals.
"Das Spiel hat deutlich gezeigt, wo Wetzlar steht", sagt Jicha, dessen Mannschaft sich im Pokalspiel das Leben durch viele Fehler schwer machte. "In Wetzlar mögen sie zwar gerne die Geschichte vom großen THW und dem kleinen Wetzlar. Aber die Ergebnisse sprechen für sich."
Tatsächlich haben die Grün-Weißen in dieser Saison schon drei Punkte gegen Mannschaften mit den Ansprüchen eines Spitzenteams geholt. Erst trotzten die Hessen der SG Flensburg-Handewitt einen Punkt ab, dann schickten sie den SC Magdeburg durch einen Heimsieg in die Krise. Die Erfolgswahrscheinlichkeit gegen den THW Kiel beziffert HSG-Trainer Kai Wandschneider trotzdem nur auf fünf Prozent. "Die Leistung des THW in Skopje war beeindruckend", sagt er. Woran es liegt, dass seine Mannschaft den Naturgesetzen des Handballs dennoch immer wieder trotzt und Favoriten zu Fall bringt? "Wir haben eine sehr gute Kommunikation, reden viel miteinander. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. So kriegen wir hier Jahr für Jahr Platzierungen hin, die eigentlich nicht möglich sind."
Die vergangene Saison schloss die HSG Wetzlar auf dem zehnten Platz ab. Derzeit steht sie nach neun Partien mit einem ausgeglichenen Punktekonto ebenfalls auf Rang zehn. "Wir wissen, was auf uns zukommt", sagt Filip Jicha. Wetzlars Torwart-Youngster Till Klimpke war zuletzt in Topform, ebenso Stefan Cavor im rechten Rückraum. Dort ist der 24-jährige Montenegriner durch die dauerhafte Formkrise von Joao Ferraz Alleinunterhalter. Im Pokalspiel gegen den THW Kiel warf er zehn Tore. Dennoch ist der Rückraum die Schwäche der HSG, denn auch auf der linken Halbposition ist das Leistungsgefälle zwischen Olle Forsell Schefvert und Neuzugang Alexander Feld an manchen Tagen noch groß.
"Unser Erfolg wird von der Tagesform einzelner Spieler abhängen", sagt Wandschneider. Mit Blick auf das kurz zurückliegende Pokalspiel prognostiziert er: "Filip und ich werden uns sicherlich etwas anderes einfallen lassen."
Beim THW könnte auch die neue dritte Abwehrformation, die verschobene 5:1, wie schon in Skopje zum Einsatz kommen. Vor allem hofft Jicha in Wetzlar auf Engagement und Freude seiner Spieler wie in Skopje. "Wir wollen im Vergleich zum Pokalspiel eine Steigerung unserer Leistung sehen", sagt er. Die Anzüge für die Champions League hatten die Kieler am Mittwoch schon im Gepäck - denn aus Wetzlar geht es über Frankfurt gleich weiter nach Montpellier, wo sie am Sonnabend (17.15 Uhr) antreten. Dann wieder in der Champions League.
 (Von Merle Schaack aus den Kieler Nachrichten vom 17.10.2019, Foto: Sascha Klahn)