Für Patrick und die weiße Wand: THW Kiel holt mit Sieg gegen die MT Melsungen Bronze

European League

Für Patrick und die weiße Wand: THW Kiel holt mit Sieg gegen die MT Melsungen Bronze

Ein wenig strahlten die Spieler des THW Kiel dann doch, als sie am Sonntagnachmittag ihre Bronzemedaillen nach dem 37:31 (18:18)-Sieg über die MT Melsungen im "kleinen Finale" der Maschinensucher EHF Finals umgehängt bekamen. Die Zebras - sie wollten für ihre gut 3000 mitgereisten Fans ein versöhnliches Ende des europäischen Wettbewerbs gestalten. Und sie wollten ihren Kapitän Patrick Wiencek mit einem Sieg in die internationale Handball-Rente schicken. Beides gelang: Die "weiße Wand" unterstützte ihre Mannschaft bei dem schweren Gang ins Bronzemedaillen-Match, und am Ende wurden Spieler und Trainer für einen spektakulären Auftritt gegen die Hessen gefeiert. Stehende Ovationen gab es, als Patrick Wiencek nach dem Interview-Marathon als letzter Kieler das Feld verließ, seine Kinder umarmte und sich aus dem Europapokal mit einem Sieg verabschiedete. 

Starke Rückraum-Youngster

Traf zwölf Mal: Emil Madsen

Auch wenn die unglückliche Niederlage vom Vortag aus dem Halbfinale gegen Montpellier HB noch kräftig schmerzte. Die Zebras klebten mit einer tadellosen Leistung Pflaster auf die Wunde, wurden getragen von ihrer „weißen Wand“ und hatten starke Youngster in ihren Reihen: Überragender Schütze im Trikot des Siegers war Emil Madsen, der zwölfmal ins Schwarze traf, seine Mannschaft in wichtigen Phasen der Begegnung mit seinen Toren in Front warf. Spielfreudig und gleichzeitig torhungrig zeigte sich zudem Elias Ellefsen á Skipagötu, der insgesamt neunmal einnetzte. "Ich habe mich gefreut, mit welcher Energie die Jungs sich ins Zeug gelegt haben. Elias war nicht nur als Torschütze wichtig, sondern hat auch Raum für Emil Madsen geschaffen, zudem mit seinen großartigen Anspielen geglänzt."

Neue Offensiv-Formation

Niko Bilyk stand in der Start-Formation

Eine Nacht hatten die Zebras nach der bitteren Niederlage in letzter Sekunde im Halbfinale gegen Montpellier geschlafen, versucht, die Enttäuschung und den aufgestauten Frust beiseite zu räumen. Kapitän Domagoj Duvnjak und Co. hinterließen zunächst trotzdem nicht den frischesten Eindruck, fanden nach und nach aber ihre Freude am Spiel zurück, kämpften in der Abwehr, waren im Angriff auf schnellen Beinen unterwegs, trafen später aus allen Lagen. Dabei hatte Filip Jicha, der verletzungsbedingt erneut auf Harald Reinkind und Hendrik Pekeler verzichten musste, umgestellt, vertraute in der Offensive mit Nikola Bilyk, Bence Imre und Elias Ellefsen á Skipagötu zunächst auf eine neue Formation, spielte später sogar mit vier Rückraumspielern und ohne klassischen Kreisläufer. Die Zebras fanden bald in ihr Spiel, Bilyk und "Skippy" drehten am Schwungrad, Madsen war von der ersten Minute an torhungrig: Der Däne traf nach sechs Minuten zur 5:3-Führung, netzte wenig später zum 7:4 ein.

Unentschieden zur Pause

Erzielte sechs Tore: Bence Imre

Gut stand die zentrale Abwehr um den Mittelblock Patrick Winecek und Petter Överby. So bekamen die Kieler das Spiel in den Griff, führten auch Mitte der ersten Halbzeit mit drei Toren: Erneut war es Emil Madsen, der nach 13 Minuten das 10:7 bejubelte. Filip Jicha gab einmal mehr auch seinen jungen Spielern eine Chance, sich auf der internationalen Bühne zu präsentieren. Linus Kutz durfte in der Mitte wirbeln, traf auch einmal mit sehenswertem Solo, Henri Pabst bekam ebenfalls Spielzeit, genoss es mit forschem Auftritt. Melsungen aber hatte sich Ende der ersten Halbzeit zurückgekämpft, erzielte beim 12:12 den Ausgleich, ging wenig später durch Arnesson gar mit 16:15 in Front. Die Kieler aber ließen sich nicht beirren: Eric Johansson ließ es es dem Rückraum zum 16:16 krachen, der wieselfinke Bence Imre erzielte die erneute THW-Führung. Doch fast mit dem Halbzeitpfiff glich Moraes aus. Mit 18:18 ging es in die Kabinen.

Zebras zaubern 

Elias Ellefsen á Skipagötu wirbelte

Aus denen kamen die Zebras mit noch mehr Elan und Willen zurück. Andreas Wolff, inzwischen für Tomas Mrkva zischen die Pfosten gerückt, stoppte zweimal in folge die MT-Angreifer, ehe Madsen den Torreigen der zweiten Halbzeit zum 19:18 eröffnete. Einmal noch, nach dem 20:21 durch Enderlein, lagen die Zebras zurück, dann zauberten Bilyk, á Skipagötu, Madsen und Co. einen lupenreinen 5:0-Lauf aus dem Hut, zogen in der 41. Minute auf 25:21 davon. Die THW-Dominanz konnte auch die harte Rote Karte gegen Petter Överby nicht stoppen. Der Norweger hatte Enderleit unglücklich im Gesicht erwischt. Johansson stopfte die Lücke im Mittelblock an der Seite von Patrick Wiencek. Wenig später erwischte es dann auch die Melsunger: Barrufet sah Rot, nachdem er Emil Madsen übel von den Beinen geholt und den Dänen auch im Gesicht getroffen hatte.

Kieler im Express-Tempo unterwegs

Der Vier-Tore-Vorsprung der Kieler schrumpfte noch einmal, Balenciaga traf nach 46 Minuten zum 26:27. Aber dieZebras blieben mit viel Tempo auf der Siegerstraße. Auch mit der Angriffsvariante, ohne Kreisläufer zu agieren, dafür einen Rückraumspieler mehr ins Geschehen zu werfen. Und weil Madsen weiter auf Torjagd ging, seinen zwölften Treffer zum 31:26 in der 50. Minute an Torhüter-Oldie Carsten Lichtlein vorbeibrachte. Melsungen zeigte sich noch einmal kurz, verkürzte auf 29:32. Doch nach der Auszeit von Filip Jicha in der 54. Minute, bekam die Zebras alles wieder in den Griff, jubelten zusammen mit ihren Fans über das sensationelle Seitfallwurf-Tor von Skippy gegen die eigene Laufrichtung, und spätestens als Bence Imre das 35:30 mit seinem sechsten Treffer beim sechsten Torwurf in der 57. Minute erzielte, waren alle Weichen auf THW-Sieg gestellt. Die Kieler Fans feierten ihre Zebras, die Bronzemedaillen baumelten um die Siegerhälse.

Heimspiel am Mittwoch gegen Leipzig

Die Kieler richten ihren Fokus in den kommenden zwei Wochen komplett auf den Liga-Endspurt mit vier Spielen in zehn Tagen: Dieser startet bereits am kommenden Mittwoch, wenn um 20 Uhr der SC DHfK Leipzig zu Gast in der Wunderino Arena ist. Für die Begegnung, das drittletzte Heimspiel der Saison, gibt es noch einige Eintrittskarten unter www.thw-tickets.de , bei CITTI und in der THW-FANWELT; die am Spieltag von 10 Uhr bis zum Anpfiff geöffnet hat. Weiter geht’s gegen Leipzig, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn

EHF European League, Spiel um Platz 3: THW Kiel - MT Melsungen 37:31 (18:18)

THW Kiel: Mrkva (1.-20., 2 Paraden), Wolff (20.-60., 6 Paraden); Duvnjak (1), Landin (2), Överby, Wiencek (3), Pabst, Johansson (1), Dahmke, Zerbe (n.e.), Kutz (1), Madsen (12), Bilyk (2), á Skipagötu (9), Imre (6/1); Trainer: Jicha
MT Melsungen: Morawski (1.-24., 1 Parade), Lichtlein (24.-60., 5 Paraden); Enderleit (2), Balenciaga (1), Mandic (1), Kristopans, Ignatow (2), Moraes (2), Drosten(6/3), Jönsson (5), Arnarsson (5), Calvacanti (4), Svensson (1), Eickhoff, Kastening (5), Barrufet (2); Trainer: Parrondo

Schiedsrichter: Miklos Andorka / Robert Hucker (HUN)
Zeitstrafen: THW: 2 (á Skipagötu (13.), Johansson (53.)) / MT: 2 (Arnarsson (40.), Mandic (57.))
Rote Karten: Överby (THW, grobes Foulspiel (39.)), Barrufet (MT, grobes Foulspiel (45.))
Siebenmeter: THW: 1/1 / MT: 3/3
Spielfilm: 1.Hz.: 0:1, 2:3 (2.), 6:3 (8.), 8:5 (9.), 10:7 (11.), 10:10 (14.), 15:14 (21.), 15:16, 17:16 (25.), 18:18;
2. Hz: 19:18, 19:20 (34.), 21:21 (35.), 25:21 (41.), 27:22 (42.), 27:26 (47.), 31:26 (50.), 32:29 (53.), 34:29 (56.), 37:31.
Zuschauer: 11.500 (Barclays Arena, Hamburg)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Die Niederlage gestern war wirklich hart, wir hatten viele Emotionen zu bewältigen und es war wirklich nicht einfach, heute diese Leistung aufs Feld zu bringen. Ich gratuliere meinen Jungs, dass sie soviel Aufwand in diese Partie gesteckt haben. Unser Ziel war es, ein gutes Spiel mit Emotionen und Herz für unsere Fans, unsere Familien und Patrick zu zeigen, der heute sein letztes internationales Turnier bestritten hat. Meine Mannschaft hat heute als Mannschaft performt, es hat mir gefallen, wie Eric, Elias und Emil mit Herz Emotionen in dieses Spiel gebracht haben. Der Sieg war wichtig für unsere Truppe, und er war wichtig für Patrick.

MT-Trainer Roberto Garcia Parrondo: Wir wollten ins Finale, deswegen war gestern wirklich hart. Heute wollte ich jedem Spieler Minuten geben, um dieses außergewöhnliche Event zu genießen. Der Sieg war deshalb für uns heute nicht das wichtigste. Ich bin sehr stolz darauf, was wir in dieser European League-Saison geleistet haben.

THW-Toptorschütze Emil Madsen: Es war hart, heute das erste Spiel zu haben. Aber wir wollten für unsere Fans und Patrick unbedingt die Bronzemedaille holen. Natürlich sind wir noch immer traurig über das verlorene Halbfinale, aber heute bin ich auch stolz auf meine Mannschaft. Wir haben den Kopf hochgenommen und für unsere Fans performt.

Melsungens Florian Drosten: Das Wochenende lief leider nicht so, wie wir es uns vorgestellt hatten. Wir haben es trotzdem genossen, jetzt werden wir uns sammeln und dann am Donnerstag das wichtigste Spiel der Saison bestreiten.

Elias Ellefsen á Skipagötu: Gestern war kein schöner Tag, heute sind wir zufrieden, dass wir gewonnen haben. Wir haben vieles besser gemacht als gestern, deswegen war der Sieg auch verdient. Wir hatten uns vorgenommen, für unsere vielen Fans, die mitgereist sind, heute Bronze zu holen – und natürlich auch für Patrick. Deswegen war es uns wichtig, heute zu gewinnen.

THW-Kapitän Patrick Wiencek: Es war ein hitziges und undankbares Spiel, weil beide Teams gestern das Halbfinale verloren haben. Aber wenn man dann in die Halle kommt und die hochmotivierten Fans sieht, dann pusht es einen. Gerade für unsere „weiße Wand“ wollten wir heute noch einmal ein Spektakel abliefern. Es fühlt sich gut an, dass wir heute gewonnen haben. Ich wollte unbedingt mein letztes Europapokal-Spiel gewinnen. Das haben wir geschafft, und ich kann mich mit einem guten Gefühl verabschieden. Jetzt sauge ich die Emotionen auf und genieße ein bisschen. Ich hoffe natürlich, dass ich meine letzten vier Spiele alle gewinnen werde und dann in Handball-Rente gehen kann.