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KN: Von null auf 100 Prozent Handball

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KN: Von null auf 100 Prozent Handball

Kiel. Fynn Schröder hatte seine Handball-Karriere fast schon aufgegeben. Nun steht er im erweiterten Bundesliga-Kader des THW Kiel. Die Saison mit den Profis steht für den Nachwuchs-Torhüter unter dem Motto "alles mitnehmen, was geht".

Fynn Schröder hatte schon fast mit seinem Sport abgeschlossen - jetzt trainiert er mit den Profis des THW Kiel

Als die Zebras sich zum ersten Mal nach der Sommerpause trafen, war der 22-Jährige der Erste in der Kabine. "In der Nacht davor konnte ich nicht richtig schlafen. Das war sehr aufregend", erzählt Schröder von der ersten Begegnung mit seinen neuen Teamkollegen. "Ich habe erst einmal versucht, wenig aufzufallen. Aber dann habe ich schnell gemerkt, dass das eigentlich auch nur Sportler sind."

Fynn Schröder, geboren bei Bremen, stammt aus einer Handball-Familie. Mutter Anja spielte mit dem TV Oyten in der Oberliga, Vater Matthias war Torwart des TV Grambke in der Zweiten Liga. Der Jüngste von drei Brüdern, entschied sich mit 16 Jahren, voll auf den Handball zu setzen. Auf Anfrage von Jugendtrainer Pitti Petersen wechselte er vom Hastedter TSV zum THW Kiel, um dort A-Jugend-Bundesliga zu spielen. Er überzeugte und hütete anschließend zweieinhalb Jahre beim TSV Altenholz das Drittliga-Tor. 

Doch Handball ist nicht alles im Leben des Fynn Schröder. "Ich brauche immer etwas zum Ausgleich", sagt er, der gerne Nachrichten schaut und politische Texte liest und in Kiel ein Sozioökonomie-Studium mit Anteilen aus Wirtschaft, Soziologie und Politik begann. 2018 entschied er sich für ein Auslandssemester in Finnland, legte die Handball-Karriere auf Eis. "Durch die Uni habe ich ganz andere Sachen kennengelernt und wollte mal nichts mehr mit Handball am Hut haben", sagt der Keeper. In Finnland merkte Schröder aber, wie wichtig ihm der Sport ist. "Vorher habe ich immer nur das gesehen, was ich durch den Handball verpasse", sagt er. "Dort habe ich dann gemerkt, was mir ohne ihn fehlt - zum Beispiel das Teamgefüge und was man alles erleben kann, wenn man sich richtig reinhängt."

Zurück in Kiel fragte Schröder bei THW-U23-Trainer Christian Sprenger an, ob er wieder einsteigen könne. Er konnte. "Er hat Vollgas gegeben, ist von Tag zu Tag besser geworden und hat zu alter Form zurückgefunden", sagt Sprenger, der sich für seinen Schützling stark machte, als der THW nach dem Wechsel von Tom Landgraf zum Dessau-Roßlauer HV einen neuen dritten Torwart für den Bundesliga-Kader suchte. "Fynn kann diese Rolle menschlich und sportlich ausfüllen", sagt Sprenger. "Er hat bei uns jedes Jahr seine Leistung gebracht. Und er bringt eine gewisse Portion Ehrfurcht mit."

Schröder selbst macht keinen Hehl daraus, dass ihn die Anfrage der Profis überraschte. "Ich war mir nicht sicher, ob ich mir das zutraue und habe viel mit Sprengi und Pitti geschnackt", sagt er und gesteht: "Nach der Zusage habe ich auch noch mal Bammel gekriegt." Um nur gut ein halbes Jahr nach der Rückkehr aus Finnland den Sprung von null auf 100 Prozent Handball-Einsatz zu schaffen, legte er extra Athletik-Schichten ein. Die Arbeit zahlte sich aus: Im Trainingslager der Kieler in Graz hielt Schröder wie selbstverständlich mit den Profis mit. "Das hat mich auch gewundert" sagt der Torwart, der sich manchmal noch kneifen muss. Wie beim Abschiedsspiel von Ex-THW-Trainer Alfred Gislason, als er mit Handball-Legenden aus ganz Europa auf dem Feld stand. "Die hatte ich in meiner Kindheit alle im Fernsehen gesehen. Als ich da zwischen ihnen stand, dachte ich: okay, krass - und dieses Gefühl habe ich heute noch immer."

Schröder hat sich fest vorgenommen, auch als Mitglied des Bundesliga-Kaders auf dem Boden zu bleiben. Noch nach Beginn der Vorbereitung legte er an der Uni eine Prüfung ab. Als nächstes steht die Bachelorarbeit an. Neben dem Training mit dem THW absolviert er gerade ein Praktikum in der Kieler Staatskanzlei und freut sich auf die Saison, in der er mit den Profis trainieren und im Liga-Alltag für die U23 das Tor hüten wird. "Ich will einfach genießen, von allen Trainern lernen, nicht verkrampfen und dann gucken, wie es weitergeht", sagt er.

 (Von Merle Schaack, aus den Kieler Nachrichten vom 16.08.2019, Foto: Sascha Klahn)